Interessengebiete, Arbeitsfelder und Themenschwerpunkte
B. Systematischer Überblick
I. Wissenschaftsforschung
(Wissenschaftsphilosophie, -soziologie, -ethik)
1. Kritischer Rationalismus als fallibilistische Revolution der Erkenntnis-
und Wissenschaftslehre (Popper-Rezeption)
Themen: Wissenschaftstheorie der Vorkriegszeit (>Wiener Kreis<;
im Ausgang von Poppers >Logik der Forschung<, 1935) und Nachkriegszeit
(anglosächsische Weiterentwicklungen zur >Philosophy of Science<).
Stichworte: Epistemologischer Fallibilismus (Fehlbarkeitslehre)
versus epistemologischer Fundamentalismus und Certismus (Sicherheitslehre
und Gewißheitsforderungen der philosophischen Erkenntnistheorie, von
Platon über Descartes bis Hugo Dingler).
Untersuchungen: Kritik des Rechtfertigungsmodells der Erkenntnis,
dem die Poppersche Hypothesenauffassung allen menschlichen Wissens entgegen
gesetzt und auf alle Erkenntnisgebiete übertragen wurde (in der Kunst
bei E. H. Gombrich, in der Wahrnehmung bei Jerome Bruner, in der neueren
Kognitionspsychologie u. a.).
Ergebnisse: Die Grundbegriffe und Leitgedanken der Hypothesenauffassung
des menschlichen Wissens sind durchlaufende wissenschaftstheoretische
und allgemeinkognitive Kategorien für alle weiteren Arbeiten geworden.
Publikationen: Studien zu den Wurzeln des Rechtfertigungsmodells
in der vorsokratischen Philosophie (Parmenides) und im griechischen
Rechtsdenken. Monographien über die Vorgeschichte, Grundgedanken und
Weiterentwicklungen des Kritischen Rationalismus bei Karl R. Popper
und seiner Schule. Nicht veröffentlicht >Die fallibilistische Revolution
der Erkenntnis- und Wissenschaftslehre< (Manuskripts 1969).
2. Theoretischer Pluralismus als Erkenntnismodell (Feyerabend-Rezeption)
Themen: Pluralisierung des menschlichen Wissens durch Annahme
einer Vielzahl von Theorien, die miteinander in Wettbewerb stehen. Pluralismus
als Erkenntnis- und (mit Abstrichen infolge sozialer Trägheit und politischem
Widerständigkeit) als Gesellschaftsmodell.
Untersuchungen: Studien zum pluralistischen Erkenntnis- und
Gesellschaftsmodell im Hinblick auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede.
Kognitiver Theorienpluralismus und gesellschaftlicher Interessenpluralismus
sind nicht dasselbe, sondern divergieren ebenso wie zum Beispiel die
Wissensordnung und das wissenschaftliche Sondermilieu der >Freien Forschung
und Lehre< vom gesellschaftlichen Normalmilieu (Ideenorientierung versus
Interessenorientierung).
Ergebnisse: Linie der konsequenten Weiterentwicklung >vom epistemologischen
Fallibilismus zum radikalen Pluralismus< bis heute beibehalten. So wird
auch das Verhältnis von Popper und Feyerabend gesehen. Publikationen:
Buch >Pluralismus als Erkenntnismodell<, 1974; Aufsätze; Lexikonartikel.
3. Sozialphilosophie der Offenen Gesellschaft (Kritik des Kritischen
Rationalismus)
Themen: Offene und Geschlossene Gesellschaft. Kritik des Kritischen
Rationalismus.
Stichworte: Soziale Offenheit und Geschlossenheit (Max Weber,
Henri Bergson, Karl Popper).
Untersuchungen: Untersuchungen über kognitive Offenheit (im
Rahmen des Funktionsmodells >Prinzip Kritik<, 1981) und Geschlossenheit
(Dogmatismus).
Ergebnisse: Die sogenannte Offene Gesellschaft westlicher Prägung
ist allenfalls eine formal offene, aber keine realoffene Gesellschaft.
Die Wissenschaft als Wissensraum und Ordnungsbereich ist nur partiell
offen; sie ist nach unten und nach außen gegenüber nichtwissenschaftlichen
Wissensarten und Wissenstätigkeiten geschlossen.
Publikationen: Monographien >Popper und die Politik: Offenheitsprobleme<,
1978; >Ist der Kritische Rationalismus am Ende?<, 1982. Beiträge >Popper
als Erzieher? -- Fortschritte und Fehlentwicklungen des Kritischen Rationalismus<,
1994; >Philosophie als Wissenschaftstheorie auf Informationskurs --
Eine abgebrochene Rebellion gegen die Tradition< (2000).
4. Wissenschaftsethik als Sonderethik des Wissens (soziologische Arbeitsphase;
Merton-Rezeption)s
Themen: >Wissenschaftliches Ethos< als normative Struktur des
>sozialen Systems< Wissenschaft, in Abhebung von der Methodologie als
Regelwerk für das >kognitive System< (beides im Sinne der funktionalistischen
Wissenschaftssoziologie).
Stichworte: Wissenschaftsethik.
Untersuchungen: Studien zur Wissenschaftsethik als Sonderethik
des Wissens, im Unterschied zu Allgemeinethiken des Handelns. Wissenschaftlicher
Internalismus (kognitives System) versus Externalismus (soziales System,
gesellschaftliche Umwelt).
Ergebnisse: Nur Sonderethiken (Wissenschaftsethik, Informationsethik
u. a.) können den Besonderheiten des Wissens (als dematerialisierter
>Stoff<, abgekoppelter Ordnungsbereich, handlungsentlastete Wissenstätigkeiten)
gerecht werden. Kritik der Allgemeinethiken, welche die Fundamentaldifferenz
zwischen Symbol und Sache mißachten.
Publikationen: >Das wissenschaftliche Ethos als Sonderethik
des Wissens<, 1985; Aufsätze und Beiträge zu Sammelbänden.
5. Die Stellung des Rezensionswesens im wissenschaftlichen Publikationssystem
Themen: Gattungen (genres) des wissenschaftlichen Publikationsbetriebs.
Beschreibung und Einordnung des Rezensionswesens in die wissenschaftliche
Fachkommunikation und -literatur. Wissenschaftler als Kritiker und Kritisierter
in Rollenunion (im Gegensatz z. B. zum Kunstkritiker).
Stichworte: Rezension. Kritik. Gegeninformation.
Untersuchungen: Wissenschaftstheoretische und soziologische
Analyse des Rezensionswesens. Funktionen für die >wissenschaftliche
Hygiene<. Entartungserscheinungen (Verriß, Schmäh- und Vernichtungskritik).
Vergleich mit dem Gutachtenwesen.
Ergebnisse: Die wissenschaftliche Literaturgattung >Rezension<
ist die letzte >freie< (vor allem: nicht an Gütekriterien gebundene)
wissenschaftliche Publikationsart; deshalb mißbrauchsanfällig.
Publikationen: Aufsätze in soziologischen Fachzeitschriften.
Weiter: II. Rationalitätsforschung
zur >Doppelvernunft<
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