Interessengebiete, Arbeitsfelder und Themenschwerpunkte

B. Systematischer Überblick

IV. Wissenschaftsforschung nach dem Karlsruher Ansatz

2. Grundlagenstudien zum Wissensordnungs-Projekt

a) Die Klassische (>Alte<) Wissensordnung und ihr Wandel

Themen: Aufbau und Gestaltung der Wissensordnung im alteuropäischen >Ideenzeitalter< sowie deren Wandel im modernen >Informationszeitalter<. Ausbildung von Funktions- und Bereichsordnungen.

Stichworte: Geschichtliche Entwicklung (u. a. am Beispiel der Humboldtschen Universitätsverfassung) und systematische Rekonstruktion der >klassischen< Wissensordnung; Wandel der Wissensordnung durch die heutigen kognitiv-technischen Entwicklungen; Ordnungsvergleich mit der Rechts- und Wirtschaftsordnung.

Untersuchungen: Ideen- und institutionengeschichtliche Untersuchungen im Hinblick auf die Rahmenbedingungen und Regelungen für nichtkommerzielle schöpferische Wissenstätigkeiten im Dienste des Erkenntnisfortschritts und der professionellen Erstklassigkeit. Die (durch Entlastung von praktischen Bedingungen privilegierte und im Selbstverständnis idealisierte) >Gelehrtenrepublik< als historisches Paradigma der Klassischen Wissensordnung und Qualitätszone für freie Forschung, Lehre und Publikation.

Ergebnisse: Ausarbeitung und vielfältige Anwendungen des Konzepts der Wissensordnung, als dritter Grundordnung moderner Gesellschaften neben der Rechts- und Wirtschaftsordnung.

Publikationen: Buch >Die Wissensordnung, 1994; Beiträge für Lexika, Fachzeitschriften und Sammelwerke.

Drittmittel: VW-Projekt 1988-1990 >Aufbau und Wandel der Wissensordnung<; Werner-Reimers-Tagung 1992 in Bad Homburg; EU-Projekt 1995 Arbeitstagung in Sevilla, Spanien.

b) Reale und elektronische Wissenswelten für >Wissen aller Arten, in jeder Menge und Güte<

Stichworte: Wandel der Wissensordnung durch den wissenschaftlich-technischen Fortschritt und die ökonomische Globalisierung. >Renormalisierung< der tradierten Besonderheiten und Aufhebung der Entlastungen; Grundriß der Informationsgesellschaft, insbesondere im Hinblick auf ihre nichttechnischen Rahmenbedingungen und Wissensprobleme.

Untersuchungen: Zum dreifachen Übertragungsproblem der Wissensordnung: Erstens das Problem der historischen Kontinuität bezüglich der Übertragbarkeit >von früher auf heute<, d. h. vom institionalisierten Idealismus der Humboldtschen Universität im frühen 19. Jahrhundert auf die globalisierte Welt des 21. Jahrhunderts.
Zweitens das Problem der interkulturellen Entsprechungen zwischen den verschiedenen Wissenskulturen innerhalb der Gesellschaft, zum Beispiel der Übertragbarkeit vom geisteswissenschaftlich geprägten akademischen Sondermilieu auf das nichtuniversitäre, natur- und technikwissenschaftlich geprägte Forschungsmilieu der Industriewissenschaft; desgleichen vom engeren, >gehobenen< Wissenschaftsmileu schlechthin auf die nichtwissenschaftlichen Wissensräume der Gesellschaft.
Drittens das Problem der strukturellen Entsprechungen zwischen realen und elektronischen Wissensräumen, d. h. der Übertragbarkeit von tradierten, >realexistierenden< Ordnungen bzw. Regimen des Rechts, der Wirtschaft, Politik etc. von der Erfahrungswelt auf die elektronische Netzwelt.
Das kann m. E. weder eine Rückkehr zur alten Ordnung noch deren unveränderte Übertragung auf die neuen Verhältnisse sein, sondern: Problem- aber nicht strukturkonservatives Festhalten an den alten Zielsetzungen (deshalb >neoklassisch<), bei gleichzeitiger Suche nach funktionalen Äquivalenten, die auf andere Weise und mit anderen Mitteln letztlich dasselbe leisten.

Ergebnisse: Unterscheidung von drei Wissensordnungen: Vorgegeben ist die >Alte< Wissensordnung der vierfachen Abkopplung des Ideenbereichs von der normalen Güterwirtschaft. Ihr läßt sich eine sich erst in Konturen abzeichnende >Neue Wissensordnung< entgegen stellen, welche die tradierten Rahmenbedingungen nicht einfach fortschreibt, sondern nach funktionalen Äquivalenten für das Informationszeitalter und ordnungspolitischen Regelungen für die Wissensgesellschaft sucht, um die sinngemäß fortgeschriebenen Zielsetzungen (Wissensfreiheiten, Lösungsvorstellungen) auf andere Weise zu realisieren. Als drittes gibt es die derzeitige Zwischenlösung einer realexistierenden >Empirischen< Wissensordnung, welche zwar den klassischen Regularien die Geschäftsgrundlage weitgehend entzogen hat, aber noch keine sozusagen neoklassische Neuordnung bringt. Das ist der derzeitige Zustand einer, ordnungstheoretisch gesehen, uneinheitlichen und umstrittenen Wissensunordnung, die geprägt ist durch den Verdrängungswettbewerb der diversen Wissensregime unter der Vorherrschaft von Privatisierungs-, Kommerzialisierungs- und Technologisierungstendenzen der Wissensverhältnisse.

Publikationen: Buch >Die Architektur der Informationsgesellschaft<, 1998, 2. erweiterte Aufl. 2001; Beiträge für Lexika, Fachzeitschriften und Sammelwerke.

Drittmittel: Volkswagen-Stiftung für einen zusammen mit dem Nachrichtentechniker Gerhard Grau (Universität Karlsruhe) 1997 in Stuttgart durchgeführten Workshop an der Akademie für Technikfolgenabschätzung Baden-Württemberg.

c) Wissenstile und Wissenschaftsalternativen

Themen: Wissensstile, Wissenschaftsalternativen.

Stichworte: Additiver und Theoretischer Wissens- bzw. Erkenntnisstil. Parataktische Listenwissenschaft. Hypotaktische Theorienwissenschaft.

Untersuchungen: Stiluntersuchungen zur (vorgriechischen Listen- und griechisch-abendländischen Theorienwissenschaft. Desgleichen zur aspektivischen (z. B. altägyptischen, aber auch modernen) und perspektivischen Kunst.

Ergebnisse: Systematik der Erkenntnisstile als Grundlage für die Ausbildung von Wissenschaftsalternativen. Weiterentwicklung des Stilkonzepts von der rationalitätstheoretischen Grundlegung (siehe Rationalitäts-Projekt) zur wissenstheoretischen Vertiefung und wissenschaftstheoretischen Anwendung.

Publikationen: Grundlegend das Buch >Begründung, Kritik und Rationalität<, 1997. Zur Systematik der Erkenntnisstile Beitrag zum Buch >Der ganze Rationalismus einer Welt von Gegensätzen<, 1994.

Weiter: 3. Grundlagenstudien zum Wissensverhaltens-Projekt
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